Das Zeugnis der Eltern
Entwicklungsgespräch im Kindergarten! Mit Bauchgefühl hingehen und nach wenigen Minuten denkt man sich:
„Von welchem Kind spricht sie hier? Selbstorganisiert, umsichtig, konzentriert – nicht meins!“
Dies ist auch grad Thema bei anderen Eltern, wie ich im Blogbeitrag von Stadt Land Mama Katharina nachgelesen habe. Wir brauchen manchmal eine Außensicht, einen anderen Blickwinkel zu unseren Kindern. Ich vergleich das mit unseren Arbeitsstellen – man wird doch irgendwann „Betriebsblind“. Aber man muss sich schon ehrlich sein: So sehr ich mich freue, dass überall sonst meine Kinder wirkliche Vorzeigesprösslinge sind, manchmal würde ich gerne diese Schokoladenseite auch zuhause sehen.
Holt die Ratgeber raus
Ja ich gebe es zu. Patchworkmann verlässt sich voll und ganz auf Intuition – ich grundsätzlich auch, aber ich schmöker dann auch gern bei diversen Ratgebern und lass mich „inspirieren“. Mir gibt ein gutes Buch manchmal genau die Außensicht und die Distanz zu meiner Erziehung, um wieder klarer sehen und handeln zu können. Aktuell habe ich mir das Buch mit dem treffenden Titel „Mit dem Kopf durch die Wand“ von den Erziehungsexperten Claudia und David Arp ausgesucht. Sie haben drei erwachsene Söhne und neun Enkel, also zumindest von der Seite bekommen sie meine Berechtigung zu schreiben 😉 Schon bei den ersten Seiten merke ich – genau mein Stil. Mit ein bisschen Humor und Sarkasmus und nicht „alles ist super und schön“. Auch mit genügend Praxisbeispielen, die alle zeigen – hey du bist nicht allein, meine Kinder haben den gleichen Trotzkopf. Natürlich zuhause versteht sich 😉
Der Schlag der Erkenntnis
Mein persönliches Schockerlebnis, war ein Fragenkatalog zum Thema, ob mein Kind ADHS haben könnte. Ich bin ja ehrlich, ich habe eine sehr differenzierte Haltung zu dem Thema und wehre mich gegen zu schnelle Diagnose-Stempel. Genau deshalb musste ich dann doch lachen, dass ich alle Punkte bei den Zwillingsjungs beobachten kann. Ich werde euch die Punkte mal hier reinschreiben, aber bitte mit Vorbehalt. Warum mit Vorbehalt? Irgendwo dürfen Kinder doch auch Kinder sein. Dass schreiben auch Claudia und David Arp, dass sich hinter diesen Punkten auch oft einfach aktive Kinder verstecken und man das Thema mit Vorsicht behandeln soll.
- Zappelt Ihr Kind mit den Händen oder Füßen?
- Rutscht Ihr Kind unruhig auf seinem Stuhl herum?
- Steht Ihr Kind häufig auf und läuft oder rennt herum?
- Haben Sie Probleme, die Aufmerksamkeit Ihres Kindes zu behalten?
- Ist Ihr Kind leicht durch äußere Reize ablenkbar?
- Fällt es Ihrem Kind schwer zu warten, bis es an der Reihe ist?
- Platzt Ihr Kind häufig mit einer Antwort heraus, noch bevor die Frage zu Ende gestellt wurde?
- Hat ihr Kind Schwierigkeiten, Anweisungen zu befolgen und Aufgaben für die Schule oder im Haushalt zu Ende zu bringen?
- Entgehen Ihrem Kind häufig Einzelheiten und neigt es zu Leichtsinnsfehlern?
- Hat Ihr Kind Probleme, friedlich zu spielen oder ruhigeren Hobbys nachzugehen?
- Unterbricht oder stört Ihr Kind andere überdurchschnittlich oft?
- Scheint Ihr Kind häufig nicht zuzuhören, wenn jemand mit ihm spricht?
- Verliert Ihr Kind oft Dinge, die es für eine Aufgabe oder Aktivität bräuchte?
- Rennt oder klettert Ihr Kind in unangemessenen Situationen häufig herum?
Home-ADHS ist genau mein Ding
Gerade bei uns Eltern, die überall sonst hören, wie toll das Kind ist und nur zuhause die scheinbare Demenz und Trotzphase einsetzt, habe ich folgende Diagnose erstellt: Unsere Kinder leiden an „Home-ADHS“ und dürfte auch schon seit Urzeiten so sein. Und darauf können wir, bis zu einem gewissen Grad, stolz sein. Sie fühlen sich so geerdet und so zuhause, dass sie hier alles verarbeiten und rauslassen können, was in allen anderen Systemen nicht erwünscht ist bzw. was einfach nicht angebracht ist. Genau das merken unsere Kinder bereits und zuhause fällt dann der Vorhang: Die Schuhe müssen gebunden werden, die Socken werden unter der Strumpfhose angelassen, gesittetes Essen ist nicht mehr möglich. Wegräumen, helfen und zum Bruder nett sein wird dann manchmal überbewertet! Seit meiner Erkenntnis lasse ich natürlich nicht mehr durchgehen oder verzichte auf Regeln. Keine Sorge, bei 3-4 Kindern und Home-Office zuhause kommt Anarchie nicht gut. Aber ich schaffe es (meistens) differenzierter auf das schreiende, am Boden liegende Kind zu blicken und das gezickte Augenüberdrehen der Pre-Teenie-Dame (dazu in einem anderen Artikel) nicht persönlich zu nehmen. Ich nenne unser Home-ADHS eine „gesunde Mama-Einstellung“. Wir machen als Eltern sowieso, was wir können und wir sind trotzdem nur Menschen!
Kennt ihr das? Geht es euch auch so? Home-ADHS wäre doch wirklich passend oder? Ihr holt die Kinder von Kindergarten und Co. und fragt euch, woher die Lobgesänge kommen? Berichtet uns – wir freuen uns über alle Kommentare!
2 comments
Was es für Erwachsene bedeutet, ADHS oder ADS zu haben:
Das Gefühl zu haben anders zu sein bzw. gewisse Dinge nicht zu können, welche für andere selbstverständlich sind.
Im Kindergartenalter als „schlimm“ zu gelten weil man zu laut, zu empfindlich und zu hastig sei. Man solle sich doch an die Regeln halten, sich nicht immer so aufregen, sich beruhigen,…
Sehr viele Ideen zu haben, die man unbedingt bald umsetzen will, aber irgendwie schafft man keine einzige so richtig anzufangen, geschweige denn zu Ende zu bringen.
Das Verlangen endlich mal normal zu sein, ohne so richtig zu wissen was an einem anders ist oder was man an sich ändern soll.
Termine, Aufgaben und Projekte zu organisieren kommt einem unglaublich schwer vor.
Oft das Ziel vor den Augen verlieren und in andere Ideen, Aktivitäten oder Gedanken abschweifen.
Ständig beschäftigt zu sein und trotzdem nichts weiter zu bringen.
Das Gefühl zu haben, das Leben nie in den Griff bekommen zu können.
Sehr wenig Selbstvertrauen und Selbstzweifel haben, sich extrem über sich selbst ärgern, das Gefühl des Versagens zu haben und eigentlich nichts wirklich zu können.
Extreme Emotionen, Tränen, Wut aber auch leicht zu begeistern und extreme Freude, all das gibt einem das Gefühl sich emotional nicht im Griff zu haben.
Vorwürfe von Mitmenschen, denen Organisation und Selbstkontrolle leicht fällt, oft mit der Wortwahl „du musst ja nur … machen“.
Viele unbeantwortete Fragen, schnelle Überforderung, Hilflosigkeit und damit verbundene Frustration.
Mehr unter: https://www.daniel-hitschmann.at/psychotherapie-wien/adhs-gruppe-wien/
Im letzten Blogartikel habe ich beleuchtet, inwiefern sich Beziehungen mit einer von ADHS betroffenen Person von anderen Partnerschaften unterscheiden und was ich als Beziehungsexperte an allgemeinen Tipps und Tricks mitgeben kann, um den Alltag zu erleichtern. In diesen Artikel befasse ich mich hingegen mit der „Gegenseite“: Wie kann jemand, der von ADHS betroffen ist, sein Beziehungsleben verbessern? In meiner langjährigen Praxis als Paartherapeut und Beziehungscoach fällt bei diesem Thema vor allem auf, dass viele Personen, die von ADHS betroffen sind, sich zwar sehr bewusst sind, inwiefern sie selbst von den Symptomen betroffen sind, jedoch kaum darüber Bescheid wissen, was das für ihren Partner bzw. ihre Partnerin bedeutet. Aus diesem Grund werde ich zuerst darauf eingehen, bevor ich die Möglichkeiten, den Alltag zu erleichtern, nenne. Insgesamt muss darauf hingewiesen werden, dass dieser Artikel keinen Anspruch auf Vollständigkeit hat und auch keineswegs professionelle und vor allem individuelle Unterstützung ersetzen kann. Er soll viel eher allgemeine Denkanstöße geben und vielleicht den einen oder anderen wertvollen Tipp enthalten.
Den Partner sehen und verstehen – Wie Beziehungscoaching und Paartherapie Personen mit ADHS helfen kann
Jede von ADHS betroffene Person empfindet eine andere Mischung seiner Symptome als Belastung und vor allem in Zusammenspiel mit anderen Personen als problematisch. Häufig wird hier die Regelgeleitetheit anderer Menschen genannt, vor allem das Einhalten gesellschaftlicher und somit ungeschriebener Gesetze stößt auf Unverständnis und Intoleranz bei ADHS Betroffenen. Auch häufige Kritik, Ungeduld und mangelndes Verständnis von Seiten der Partner und Partnerinnen führen zu Irritationen oder auch Kränkung der ADHS Betroffenen. Dass vor allem letzteres oft auf der Seite der Partner und Partnerinnen von ADHS Betroffenen vorkommt, sehen die wenigsten. Aus diesem Grund ist es für ADHS Betroffene, wie für jeden Menschen in einer Beziehung, wichtig, die Seite des Partners bzw. der Partnerin zu verstehen. Für Partner von ADHS Betroffenen zählen oft die Unberechenbarkeit, Unzuverlässigkeit,mangelnde Kritikfähigkeit und Reizbarkeit zu den schwierigsten Symptomen der ADHS. Es ist häufig einfacher, die Symptome auch als solche anzusehen und nicht als persönliche Eigenschaften, die unveränderlich sind. Hierdurch können diese viel eher angenommen und nicht als persönliche Kritik verstanden werden. Dadurch dürfen die Symptome allerdings nicht zu bequemen Ausreden werden, sondern sollen den Status von Projekten erhalten, an denen man arbeitet.Wie bei jeder Erkrankung und jeder Normvariante werden auch hier die Symptome als temporär unterschiedlich stark vorhandene Unannehmlichkeit gesehen und man kanngemeinsam überlegen, wie der Umgang mit ihnen am besten funktioniert. Auch sind Symptome in vielen Fällen beeinflussbar und durch die Betrachtung der Probleme als Symptome kann die Symptomlinderung als gemeinsames Projekt stattfinden.
Partnerschaftsberatung für ADHS Erkrankte – Tipps aus der Eheberatung und Paartherapie
Da manches selbst für informierte Partner und Partnerinnen schwer nachvollziehbar ist und Verständnis jede Situation besser macht, kann es helfen, über die eigenen Verhaltensweisen zu reflektieren und den Partner oder die Partnerin in diesen Prozess zu involvieren. Dabei istvor allem wichtig, dass er oder sie erfährt, dass darüber nachgedacht wird und was das Ergebnis ist. Der Partner bzw. die Partnerin muss somit nicht zwingend jeden einzelnen Gedankengang mitmachen.Bei stärkeren Stimmungsschwankungen ist es sinnvoll, sich selbst Auszeiten zu gönnen und diese auch als feste Regel in die Partnerschaft einzubauen. Damit haben beide Partner die nötige Zeit durchzuatmen und sich auf die emotionale Lage einzustellen. Vor allem in Streitsituationen helfen solche Regeln, auch wenn Personen mit ADHS diese üblicherweise in der ersten Zeit ablehnen. Sich auf Regeln in der Beziehung einzulassen kann jedoch aufvielfache Weise helfen und ist folglich einen Versuch wert.Des Weiteren kann es wichtig sein, die eigene Toleranz zu fördern. Vor allem im Zusammenspiel mit anderen Personen ist es auf Dauer nötig zu akzeptieren, dass andere Meinungen existieren und gleichberechtigt sind. Wenn der Drang verspürt wird, Fakten zu diskutieren kann die kurze Reflektion helfen, wie viel einem der Gewinn tatsächlich wert ist.Ist die richtige Antwort auf die Frage, welche Farbe Tante Mimis Auto hat, tatsächlich einen potentiell erbitterten Streit wert? Kann eine 5 heute ausnahmsweise auch eine gerade Zahlsein? Die Tatsache, dass egal, wer eine Diskussion gewinnt, man auf jeden Fall durch potentiell tagelangen Frust in der Beziehung verliert, sollte dabei stets bedacht werden.Selbst wenn das Ergebnis der Reflektion ist, dass es in dieser einen Sache wichtiger ist, Recht zu haben, als den Frieden in der Partnerschaft zu bewahren, können zumindest viele weitere Diskussionen verhindert werden. Auch ist es von Vorteil, nicht alles und vor allem sich selbst nicht immer ernst zu nehmen.Das Leben ist vielfach einfacher, wenn man über Ungeschick, dumme Zufälle, Fehler und Unachtsamkeit lachen kann. Dies hilft auch dabei, Situationen zu entschärfen und das nächste Mal besser zu meistern. Humor ist eines der stärksten Mittel, um eine Beziehung langfristig zu erhalten, weswegen ich als Beziehungsexperte jedem raten würde, ihn zu trainieren.